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Feldpost aus dem Ersten Weltkrieg gibt beklemmende Eindrücke

Das Exponat des Monats November ist ein Sammlung Feldpost aus der Zeit des Ersten Weltkrieges von 1914 bis 1917. Gestiftet hat es Christel Junker aus Silberg. Anlässlich des Gedenkens an das Kriegsende am 11. November 1918 präsentiert das Hinterlandmuseum im kreiseigenen Schloss Biedenkopf diesen historischen Fund.

Diese Karte schrieb einst Christian Junker aus Silberg und gibt uns damit beklemmende Eindrücke. (Foto: Landkreis)

Es handelt sich um insgesamt 116 Feldpostbriefe, Feldpostansichtkarten und Feldpostkarten. Die meisten schrieb Christian Junker an seine Eltern in Silberg und seine Schwester Lina, die auswärts arbeitete. Christian Junker schrieb zum Teil mehrmals pro Woche. In jedem Schriftstück bemerkte er, dass es ihm noch gut gehe und er dasselbe auch von den Adressaten hoffe. Auch berichtete er von Lebensmitteln, Kleidungsstücken und anderen Dingen, die er empfangen hat und um die er auch bat. Viele Passagen zeichnen aber ein zum Teil beklemmendes Bild vom Krieg.

Eingezogen mit
gerade 20 Jahren

Christian Junker wurde am 9. Mai 1894 geboren und gleich zu Kriegsbeginn eingezogen. Er kam zum Infanterie-Regiment 71 nach Sondershausen (Thüringen) und wurde dort bis Ende 1914 als Musketier ausgebildet. Im Februar 1915 kam er nach Erfurt in den Hauptstandort des Regiments. Von März bis Mai 1915 war er in Russland im Einsatz. „Es ist hier etwas kälter als bei euch zu Hause“, schrieb er lapidar. Anfang Juni war er in Ungarn nicht weit von der serbischen Grenze und noch optimistisch: „Macht euch nicht so viel Gedanken. Es ist alles halb so schlimm“. Ende Juni wurde er in das „Dorf“ Ujvid (Novi Sad?), ebenfalls an der serbischen Grenze umquartiert. Dort musste er bald wegen einer Fingerverletzung ins Lazarett. Ende Juli war er wieder in Russland.

Mehrmals verwundet und hungernd

Am 29. August wurde Christian Junker durch einen Schulterschuss verwundet und kam wieder ins Lazarett, zunächst nach Warschau und dann nach Zerbst. Im November kam er erneut nach Erfurt und in ein „Massenquartier“. Ende Januar/Anfang Februar 1916 überlegte er, ob er sich „freiwillig ins Feld“ melden solle. Ob freiwillig oder nicht: Im März kam er an die griechische Grenze am Dorjansee. Die schlechte Verpflegung brachte ihn im April zum Nachdenken: „Hunger nimmt jedem Menschen den Frohsinn“ und: „Die Verpflegung ist wohl schlecht, aber es ist immer noch besser als wenn ich nach Frankreich gekommen wäre, da es hier nicht so gefährlich ist, auch wenn wir hier Hunger leiden müssen“. Und: „Hoffentlich dauert der Krieg nicht mehr allzu lange, dann wird es auch wieder besser werden“.

„Leben ist
kaum auszuhalten“

Im Mai 1916 musste Christian Junker dann doch nach Frankreich und nahm an der Schlacht von Verdun teil. Er schrieb nach Hause: „Ihr macht euch noch immer eine falsche Vorstellung von dem Kriege wie es hier zugeht … In dem Orte sind wir bis zum 11. Mai gewesen, dann kamen wir in Schützengraben zwölf Tage lang, dann sind wir wieder aus dem Schützengraben zurück in Reserve ungefähr drei bis vier Stunden hinter der Stellung, so sind wir immer die halbe Zeit im Schützengraben und die andere Hälfte in Ruhe, wo wir uns wieder ausruhen können, denn sonst wäre das Leben hier fast nicht auszuhalten“.

Zunehmend
tote Kameraden

Auch im Bekanntenkreis gab es zunehmend Tote: „Jakob Gerlach und Karl Niederhöfer nun auch schon gefallen sind, was mir sehr leid tut, da es Schulkameraden von mir waren. Wir können nichts daran ändern. Wie Gott will so müssen wir es annehmen“.
Ende Juli konnte Junker berichten: „Wir sind jetzt wieder von Verdun weggekommen, da ist es nicht so gefährlich“. In der Folge befand sich Junker in der Champagne zwischen Reims und Verdun und nahm am Stellungskrieg mit seinem Wechsel aus Einsatz und Ruhephasen teil.

Weihnachten
im Schützengraben

Dort im Schützengraben erlebte er Weihnachten. Er beschrieb, dass sie einen Weihnachtsbaum mit Lichtern und Perlen hatten: Jeder bekam von der Kompanie eine halbe Flasche Wein und einen kleinen Kuchen. Junker erhielt auch von Erfurt ein Paket mit Liebesgaben: Mundharmonika, Spiegel, Buch, Schokolade, Gebäck und Zigaretten.

Schlimmste
hygienische Zustände

Im Januar 1917 kam Christian Junker auf Heimaturlaub, um dann im Februar in Remoiville (bei Verdun) wieder in den Stellungskrieg zu gehen mit katastrophalen hygienischen Zuständen: „Heute haben wir uns nach langer Zeit wieder einmal gebadet und entlaust, die 14 Tage, die wir vorne in Stellung waren, hab ich mich nicht einmal gewaschen, man fühlt sich wie neugeboren, wenn man wieder mal rein ist von Ungeziefer“. Die Friedenssehnsucht nahm zu, im März bemerkte er: „Hoffentlich sind es die letzten Ostern des Krieges“. Den Tod vor Augen schrieb er im Mai: „Augenblicklich bin ich noch gesund. Wir haben wieder schlechte Zeit vor uns. Wir kommen hin, wo es mehr nach Pulver riecht als wie hier. Gott wird mich behüten, darauf vertraue ich. Auf Wiedersehn“.

Christian:
im Krieg gefallen

Im August hoffte er auf Urlaub Ende September oder Anfang Oktober. Seine letzte Karte, datiert vom 12. September 1917, begann er: „Ich bin noch gesund und es geht mir noch gut, hoffe dasselbe auch von euch“. Die am 17. Oktober 1917 erschienene Ausgabe der „Deutschen Verlustlisten“ meldete seinen Tod. Als Todesursache nennt sie „tödlich verunglückt“. Das genaue Todesdatum wird nicht angegeben; der 7. September 1917, der an verschiedenen Stellen genannt wird, ist nach jetziger Erkenntnis falsch.