Zur Jahreslosung 2020: „…nur durch Beten“
„Die Dramatik dieser Geschichte nimmt mich gefangen“, sagt Ansgar Hörsting, Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden (FeG). „Ein verzweifelter Vater bangt um seinen Sohn. Dieser ist schwer krank. Und es reißt ihn mit Schaum vor dem Mund nieder mit knirschenden Zähnen und einem erstarrten Körper.“ Hörsting bezieht sich in seiner Andacht auf die Jahreslosung fürs neue Jahr (s. o.).
Heilung ist Chefsache
Der Vater des Jungen sucht Hilfe bei Jesu Jüngern, doch ohne Erfolg. Dann schlägt er sich durch zu Jesus. Jesus geht ziemlich hart ran: „O, ihr ungläubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei euch bleiben? Wie lange soll ich euch ertragen? Bringt ihn her zu mir!“ Jesus scheint geradezu genervt und am Ende seiner Geduld. Man bringt den Sohn nun zu Jesus. Der Vater zu Jesus: „Wenn du etwas kannst, dann erbarme dich unser und hilf uns.“ Dieser Mann will es wissen. „Wenn du etwas kannst“ klingt wie: „Ich bin nicht sicher. Ich hoffe es, aber das muss sich zeigen“. Es ist nicht so sehr ein zweifelndes „Wenn“. Es ist eines, das Druck ausübt. So als würde ein Lehrer sagen: „Wenn du gelernt hast, dann zeig es jetzt hier in der Prüfung.“ Doch Jesus erwidert dem Vater: „Du sagst: ‚Wenn du kannst‘. Alle Dinge sind dem möglich, der glaubt“. Jetzt gilt es, die Nerven zu behalten, denn das bezieht Jesus auf jeden Menschen. Wenn er nur glaubt, ist alles möglich.
Er schreit es
Man könnte Bücher darüber schreiben, was mit dem Vers schon alles versucht und geglaubt wurde – mit wenig Erfolg. Und viele Tränen sind geflossen, weil Menschen an sich selbst verzweifelten, weil sie glaubten und nichts geschah. Und als ahnte der Vater etwas von all diesen Geschichten, die noch kommen würden, schreit er es hinaus. Er schreit! Bitte stellen Sie sich das einmal vor. Er sagt es nicht, flüstert nicht, wägt nicht ab. Nein, er schreit. „Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!“ Ich frage mich, wie viel Zeit zwischen diesen beiden kurzen Sätzen lag.
Glaube ich wirklich?
Glaube ich wirklich? Glaube ich genug? Ist da nicht viel Zweifel in mir? Doch, wenn ich anfange, nachzudenken, dann ist das so: Die Jünger haben nicht helfen können. Niemand, auch Ärzte nicht. Warum sollte dieser Zimmermann es schaffen? Kommt der nicht aus Nazareth? Was soll da schon Gutes herkommen? Er ist doch einer von vielen. Aber ich habe gehört von Heilungen und besonderen Ereignissen. Was soll ich nur machen? Was soll ich machen mit meinem Unglauben? Und so schreit er es hinaus: Hilf meinem Unglauben. Du siehst ja, was in mir los ist. Du machst die Heilung abhängig von meinem Glauben? Hilf mir. Ich kann das nicht. Das ist hundertprozentige Kapitulation vor Jesus.
Diese Geschichte ist voller Leben – voller Höhen und Tiefen. Sie ist keine abwägende dogmatische Abhandlung, sondern mitten aus dem Leben. Das Leben reißt einen um: einen selbst, den Sohn, die Tochter oder den Freund. Wir haben Schaum vor dem Mund – aus was für Gründen auch immer. Wir knirschen mit den Zähnen. Manchmal tagsüber, oder nachts. Das Leben ist weniger wohlgeordnet, als man es sich vorstellt. Es ist chaotisch und umkämpft, vor allem wenn man Kinder hat, oder? Und was glaubt man alles für seine Kinder! Und wie verzweifelt ist mancher! Für andere. Für sich selbst, für die Zukunft, für unser Heil. Für die Ewigkeit. Für hier und jetzt.
Hilfe durch Beten
Diese Jahreslosung muss man mitten im Leben schreien, dann wirkt sie. Sie ist eines der kürzesten Gebete. Jesus bedroht den Geist, heilt den Sohn und antwortet auf die Frage, warum er das tun konnte, nicht aber die Jünger: „Nur durch Beten“ könne in solchen Fällen geholfen werden. Man fragt sich: Was hatten denn die Jünger getan? Geboten? Geschrien? Wir wissen es nicht. Aber gebetet hatten sie wohl nicht. Beten ist schlicht und ergreifend manchmal nichts anderes als ein glaubender, ein zweifelnder und vor allem ein kapitulierender Schrei.
(Die ungekürzte Fassung dieser Andacht finden Interessierte auf dieser Seite. Sie ist zuerst erschienen in der FeG-Zeitschrift christsein-heute.de).