Pfarrerin Katharina Stähler geht in den Ruhestand
Ihr Beruf hat sie weit herumgebracht in der Welt: Als Katharina Stähler 2002 Pfarrerin in Wallau und Weifenbach wurde, konnte sie schon auf einige berufliche Stationen im Ausland zurückblicken. Am Samstag, 14. Oktober 2023, wird die Theologin nun in den Ruhestand verabschiedet.
Ihr Schweizer Akzent ist unüberhörbar, doch tatsächlich ist Katharina Stähler in Indien geboren, wo ihr Vater für die Basler Mission arbeitete. In Indien hat sie auch ihre ersten zehn Lebensjahre bis 1967 verbracht. „Das war noch sehr nahe an der Kolonialzeit, und das macht etwas mit einem“, erklärt sie die ihr ganzes Leben prägenden Eindrücke. Schon damals habe sie einen Blick für den Umgang mit anderen Kulturen und die Ausbeutung ganzer Nationen entwickelt – Themen, zu denen sie sich schnell in Rage redet: „Wir finden die ökonomischen Unterschiede zwar schlimm, aber wir handeln nicht entsprechend!“, kritisiert sie: „Dabei geht es doch nicht nur um uns hier, sondern wir sind eine weltweite Gemeinschaft!“
Leidenschaftlich für die weltweite Ökumene
Ihr Interesse für die weltweite Ökumene, ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und die Überzeugung, dass Christen sich gegen Missstände und Ungleichbehandlung in aller Welt engagieren müssen, hat sie folgerichtig Mitte 2016 in die halbe Profilstelle „Gesellschaftliche Verantwortung“ im Evangelischen Dekanat Biedenkopf-Gladenbach geführt, die seinerzeit neu ausgeschrieben war.
1986 trat Katharina Stähler nach dem Studium in ihrer Heimatstadt Bern und in den USA ihre erste Pfarrstelle in Butzbach-Ostheim an – in Stellenteilung mit ihrem Ehemann Jörg Stähler, den sie ein Jahr zuvor geheiratet hatte. Mit dem Theologen teilt sie die Begeisterung für die weltweite Ökumene – er war zuletzt neben seiner Pfarrstelle in Holzhausen und Herzhausen auch Studienleiter der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) und Referent für Ökumene und Partnerschaften im Dekanat.
Nach Biedenkopf sind die beiden eher zufällig gekommen, erzählt die Theologin. 1990 bis 1996 gehen die beiden mit ihren zwei 1986 und 1988 geborenen Kindern im Auftrag der Basler Mission nach Nigeria, wo ihnen 1991 und 1992 zwei weitere Kinder geboren werden. Zurück in Deutschland, nahm Jörg Stähler eine Vakanzvertretung in Holzheim mit Dorf Güll bei Gießen an und suchte von da aus nach einer festen Stelle: Die sollte in der südlichen Hälfte Deutschlands sein, um den Weg nach Bern nicht so weit werden zu lassen: „Biedenkopf – wo eine Stelle frei war – lag auf der Karte im Atlas gerade noch auf der Seite“, lacht die Pfarrerin. „Schon Battenberg oder Battenfeld wären nicht mehr in unserem Bereich gewesen.“
„Wir müssen unser System überdenken“
Eine Begebenheit aus der Zeit in Nigeria muss sie noch erzählen: Erneut wird ihr hier anhand eines Blinddarmdurchbruchs bei einem der Kinder die Ungleichbehandlung zwischen den Europäern und den sogenannten Drittweltstaaten deutlich. Als es nach der Operation in einem Krankenhaus vor Ort Komplikationen gibt, kann ihr Siebenjähriger dank der Versicherung über den Arbeitgeber nach Deutschland ausgeflogen und dort von einem Spezialisten behandelt werden. Später erfährt sie, dass die Aktion 55.000 Mark gekostet hat – während ein einheimischer Nachbar sein Kind mit einem Blinddarmdurchbruch ohne eine Baranzahlung nicht einmal im Krankenhaus hätte aufnehmen lassen können: „Das ist doch furchtbar! Sind unsere Kinder kostbarer?“, erregt sie sich: „Darf das so sein oder wie können wir das ändern?“
Spenden und Krankenhäuser bauen sei nur eine Seite der Medaille: „Wir müssen unser System überdenken, denn wir beuten die Menschen in anderen Nationen immer noch aus“, kritisiert sie. „Wir müssen runterfahren und können nicht all das beanspruchen, was wir uns vielleicht leisten können“, lautet ihr Lösungsansatz. „Was können und dürfen wir verbrauchen, damit es nicht zu Lasten unserer Mitmenschen geht?“, empfiehlt sie als Maßstab und nimmt sich selbst davon ausdrücklich nicht aus.
Für den Ruhestand hat sie sich vorgenommen, auf das Auto zu verzichten und mit dem 49-Euro-Ticket auf Bus und Bahn umzusteigen. Dabei helfen dürfte ihr, dass sie erstmal ein Jahr lang „raus“ sein will aus all den Verpflichtungen und Terminen, die bislang ihren Alltag bestimmten: „Der Kalender wird dünner, und es wird ein gemeinsamer mit meinem Mann“, hat Katharina Stähler sich vorgenommen: „Ich muss selbst erstmal lernen, dass ich nicht mehr im Dienst bin.“
Dazu passend will das Ehepaar Stähler nach der Verabschiedung erstmal während eines Urlaubs in der Toskana Abstand gewinnen. Und dann sollen die Geschwister in Bern und die Familien der Kinder mit ihren Enkelkindern in Biedenkopf, Hamburg und Rostock endlich mal mehr von Oma und Opa haben, hat sich die scheidende Pfarrerin vorgenommen. Außerdem will sie sich wieder verstärkt ihrer Blockflöte widmen, den ein oder anderen liegengebliebenen englischen Krimi lesen und Menschen besuchen, die sie in den letzten Jahren zu selten gesehen hat.
Verabschiedung am Samstag, 14. Oktober
Pfarrerin Katharina Stähler wird am Samstag, 14. Oktober, im Rahmen eines festlichen Gottesdienstes von Pröpstin Sabine Bertram-Schäfer entpflichtet und in den Ruhestand verabschiedet. Die Feier findet in der evangelischen Kirche in Wallau (Kirchweg 12) statt und beginnt um 14 Uhr. Im Anschluss an den Gottesdienst laden die Evangelische Kirchengemeinde Wallau/Weifenbach und das Evangelische Dekanat Biedenkopf-Gladenbach zu Kaffee und Kuchen ins Dietrich-Bonhoeffer-Haus (Mühlstraße 10) ein, bei dem man sich auch persönlich von Pfarrerin Katharina Stähler verabschieden kann. Grußworte können vor Ort schriftlich abgegeben werden.