Pfarrer Dr. Christian Pohl wechselt von Wallau nach Rüdesheim
Rüdesheim? Damit verbinden die meisten Drosselgasse, Riesling, Niederwalddenkmal und Touristenmassen aus allen Ländern. Die evangelische Kirchengemeinde spielt gewiss für die wenigsten beim Besuch des weltweit berühmten Weinorts im Rheintal eine Rolle. Für den Wallauer Pfarrer Dr. Christian Pohl aber wird sie zum 1. September neue Heimatgemeinde und Wirkungsstätte.
Auch wenn ihn die Herausforderungen durch die Touristen-Seelsorge reizen – für den Umzug an den Rhein nach mehr als zehn Jahren an der Lahn nennt der Theologe vor allem persönliche Gründe: „Ich will meinen Eltern, die im Rhein-Main-Gebiet wohnen, näher sein, wenn sie im Alter Unterstützung brauchen“, erklärt er.
„Eine gute, reiche Zeit“ geht zu Ende
Zudem ist ihm die Region nicht unbekannt: Pohl ist in Kelkheim aufgewachsen und zur Schule gegangen. Auch das gemeindliche Profil sagt ihm zu. „Der Sonntags-Gottesdienst wird geschätzt, und der ökumenische Kontext reizt mich“, sagt der bisherige Wallauer Pfarrer, der am 25. August verabschiedet wird. Eine ähnliche Diaspora-Situation habe er schon im Pfarrvikariat 2010 in der Kirchengemeinde Heckholzhausen bei Limburg erlebt, erinnert er sich.
Dort ist Christian Pohl auch als Pfarrer ordiniert worden. Zum November 2013 wechselte er dann nach Wallau / Weifenbach, wo er 2014 auch seine Promotion abschloss, die den Titel „Das Bildungsverständnis im bildungspolitischen Diskurs der EKD von 1958 bis 2004“ trägt. Wie es zu so einem Thema kommt? „Ich war nach meinem Spezialvikariat, unter anderem in der Evangelischen Militärseelsorge, von 2005 bis 2010 als Fachlehrer für Religion im Schuldienst angestellt, weil es damals zu viele Pfarrer und zu wenige Stellen gab“, erläutert er. Während dieser Jahre sammelte Pohl bereits das Material für seine Doktorarbeit rund um den christlichen Bildungskanon und den „Rohstoff Bildung“ aus kirchlicher Sicht.
Er sei zwar immer gerne in die Schule gegangen und hätte sich auch vorstellen können, weiter im Schuldienst zu bleiben, überlegt der Theologe: „Aber ich wollte eigentlich auch immer in meinem erlernten Beruf arbeiten.“ An der Gemeinde in Wallau / Weifenbach schätzt er sowohl die tiefe Frömmigkeit als auch die von Humor geprägte Atmosphäre: „Diese zwei Pole finde ich sehr sympathisch“, lobt er, auch mit Blick auf die Zusammenarbeit mit den Kirchenvorständen während seiner Dekade. Diese Atmosphäre habe auch das Miteinander in den Hausabendmahls-Kreisen, der Frauenhilfe und im Konfi-Team geprägt, wo er sehr gerne mitgewirkt habe. „Es war eine gute, reiche Zeit in Wallau“, fasst Pohl zusammen.
Dankbar blickt er auch auf die enge und herzliche Zusammenarbeit mit der katholischen Pfarrgemeinde, der FeG und der Neuapostolischen Kirche zurück. Als besonders wertvoll bleibt dem scheidenden Pfarrer das Miteinander mit seiner vor einem dreiviertel Jahr in den Ruhestand verabschiedeten Kollegin Katharina Stähler in Erinnerung: „So ein weiblich/männlich und reformiert/lutherisch zusammengesetztes Team wäre eigentlich jeder Gemeinde zu wünschen“, sagt er im Wissen, dass das Wunschdenken bleiben wird: In den Nachbarschaftsräumen, die die Kooperation zwischen den Gemeinden erleichtern sollen, werden unterm Strich deutlich weniger Pfarrstellen übrig bleiben. Die Auswirkungen seien jetzt schon spürbar, kritisiert Pohl: „Der Pfarrer entfernt sich weiter von seiner Gemeinde; auch, weil die strukturelle Ebene einfach mehr Arbeit erfordert“, hat er beobachtet. Ihm selbst sei wegen der zusätzlichen Gremienarbeit beispielsweise keine Zeit mehr zum Mitsingen im Kirchenchor geblieben, bedauert er.
Überhaupt habe sich durch die strukturellen Veränderungsprozesse vieles unglaublich beschleunigt, so dass er zum Beispiel nach der Fusion der Dekanate Biedenkopf und Gladenbach 2016 viele Kollegen leider nie richtig kennenlernen oder mit ihnen zusammenarbeiten habe können. „Der Umgang mit dieser fehlenden Kontinuität bedeutet auch eine Herausforderung für unsere Kirche, ihr Tun und ihren weiteren Weg“, sagt Christian Pohl.
Dabei sieht Pohl durchaus auch die Vorteile der Zusammenarbeit auf Nachbarschaftsraumebene. Als Beispiel nennt er die von Pfarrerin Stähler und dem Gemeindepädagogen Heiner Häcker aus der Gemeinde auf die NaRa-Ebene gebrachte Vorkonfirmanden- und Elternarbeit mit den dritten Klassen und das gemeinsam „nach einigem Holpern“ auf den Weg gebrachte Fundraising für die Gemeindepädagogenstelle.
Ganz ähnlich nimmt er Erwartungen in seiner neuen Gemeinde in Rüdesheim wahr, wo er nach einer längeren Vakanz unter anderem auf Schwerpunkte wie Seelsorge und Besuchsdienst setzen will. Persönlich reizen ihn in Rüdesheim die Kulturlandschaft und die Natur, die er abseits des touristischen Trubels beim Wandern erleben will. Wann dafür Zeit bleiben wird, lässt sich aber schwer absehen, denn der aufwändige Prozess der Nachbarschaftsraum-Bildung wird auch dort, wie in der gesamten Landeskirche, zu gestalten sein.
Verabschiedung am Sonntag, 25. August
Die Verabschiedung von Pfarrer Dr. Christian Pohlausder Evangelischen Kirchengemeinde Wallau / Weifenbach findet im Rahmen eines festlichen Gottesdiensts am Sonntag, 25. August 2024, um 14 Uhr in der evangelischen Kirche Wallau (Kirchweg 12, 35216 Biedenkopf). Im Anschluss an den Gottesdienst findet ein Empfang im Dietrich-Bonhoeffer-Haus (Mühlstraße 10, 35216 Biedenkopf) statt, beim dem auch Gelegenheit zur persönlichen Verabschiedung von Pfarrer Christian Pohl besteht.