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„So mancher geht vorüber…“: Wort zum Grenzgang

„In Biedenkopf im Tale, da steht ein altes Haus…“ So beginnt der Grenzgangsmarsch, der auf dieser Seite des Grenzgangsvereins übrigens auch angehört werden kann. Gleich in der ersten Strophe kommt darin diese Passage vor: „…So mancher geht vorüber und nimmt es nicht in acht, dass jede Viertelstunde sein Leben kürzer macht.“

„…dann sterbste!“

Und ein Bierkrug vom Grenzgang 1950, (aktuell Exponat des Monats im Hinterlandmuseum) trägt die Inschrift: „Nütz den Frühling deines Lebens, leb im Sommer nicht vergebens, denn gar bald stehst du im Herbste, wenn der Winter kommt, dann sterbste.“

Die Passage aus dem Grenzgangsmarsch ist vielerorts präsent. (Fotos: Redaktion)

Tod und Sterben sind im Grenzgang sicher nicht das vorrangige Thema. Aber augenscheinlich spielt diese Thematik eine gewisse Rolle, wie die Texte und Inschriften belegen.

Schon klar

Dass wir sterben müssen, ist klar. Daran muss man uns nicht erinnern. Allerdings macht die Erinnerung daran keinen Sinn, wenn daraus keine Konsequenz erwächst. Schon in der Bibel steht ein ganz ähnlicher Satz: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ (Psalm 90, Vers 12)
Wie aber soll diese kluge Konsequenz aussehen? Möglichst viel „mitnehmen“ vom Leben? Vom vermeintlichen Spaß? Möglichst viel anhäufen? Titel erwerben? Ansehen?

Auch als Hausinschrift finden sich die Zeilen mit der besonderen Aufforderung.

Das macht keinen Sinn vor dem Hintergrund, dass weder Geld noch Gut, weder Aussehen noch Ansehen noch zu erwartende ehrende Nachrufe, Gedenktafeln oder Erinnerungen im und nach dem Sterben irgendeinen Wert haben.
Wenn es ans Sterben geht, verändert sich daher in den allermeisten Fällen der Blickwinkel eines Menschen. Es wird ihm klar, was wirklich wichtig gewesen wäre. Meist ist es dann zu spät.

Der Grenzgangsmarsch hat bis heute einen wichtigen Stellenwert.

Ich weiß nicht, was der Texter des Grenzgangsmarschs, Ernst Hartmann, im Sinn gehabt hat beim Texten seiner Zeilen. Auch nicht, was die Grenzgänger denken, wenn sie sie singen. Der Psalmist hingegen wollte sicher ausdrücken, wie gut und unvergleichlich es ist, nach dem Ableben als begnadigter Sünder vor seinem Gott zu stehen und diese Gnade unverdient zu Lebzeiten in Anspruch genommen zu haben.

13 Kapellen tragen in diesem Grenzgangsjahr zur musikalischen Umrahmung bei.

Zwar kann Gott auch noch in den letzten Augenblicken eines Lebens eine rettende Umkehr schenken. Diese rettende Gnade durfte beispielsweise mein Großvater, ein alteingesessener Breidensteiner, für sich auf dem Sterbebett noch in Anspruch nehmen. Aber darauf zu spekulieren, kann bös‘ schiefgehen.
In diesem Sinne: einen fröhlichen Grenzgang und „achtsame“ Gedanken!
(bam)